" Wenn Bruna Alexandre an der Tischtennis-Platte steht, dann nimmt sie es mit jedem auf. Denn zu kämpfen hat die 28 Jahre alte Brasilianerin in ihrem Leben gelernt. Noch als Säugling erlitt sie im Alter von zwei Monaten eine Thrombose, ihr rechter Arm musste amputiert werden.
"Bei vielen Dingen merke ich gar nicht, dass ich ein Handicap habe", erzählt sie, "ich lebe mein Leben genau wie jeder andere mit zwei Armen. Ich bin nicht eingeschränkt, ich kann alles tun, was ich möchte."
Ihr Spagat zwischen den Tischtennis-Welten gelingt
Und das, was sie am liebsten tut, ist Tischtennis spielen. Der Brasilianerin aus Santa Catarina ist dabei jedoch etwas Seltenes gelungen: Sie schlägt erfolgreich die Brücke zwischen zwei Welten. Alexandre spielt äußerst erfolgreich in Wettbewerben der Athletinnen mit Handicap, führt dort sogar die Weltrangliste an. Und hat bei Paralympics schon vier Medaillen gewonnen, unter anderem in Tokio 2021 die Silbermedaille im Einzel. In Paris ist sie wieder bei den Paralympics am Start.
Doch Alexandre ist ebenso bei Tischtennis-Turnieren - oder wie zuletzt bei der Team-Weltmeisterschaft in Busan - bei den Profis dabei, die nicht gehandicapt sind. In der Frauen-Weltrangliste liegt die Brasilianerin auf Platz 182. Und am Montagabend (05.08.2024) um 20 Uhr wird sie in Paris ihr Olympia-Debüt geben, im Team-Wettbewerb.
"Kann zeigen, dass alles möglich ist"
Möglich ist das, weil der brasilianische Tischtennisverband Alexandre nominiert und Brasiliens Nationales Olympisches Komitee diese Nominierung bestätigt hat. "Ich bin sehr glücklich, dass ich hier alle Menschen mit Behinderungen repräsentieren und zeigen kann, dass alles möglich ist", sagt Alexandre.
Sie selbst hatte sich selten eingeschränkt gefühlt. Mit sieben Jahren begann sie in ihrem lokalen Sportverein mit Tischtennis und ehe sie sich versah, war sie mit elf Jahren schon im nationalen Jugendkader. Sie gehörte dazu, erst mit 13 Jahren fiel ihr auf, dass es auch einen paralympischen Tischtennissport gibt.
Mit Skateboardfahren zu mehr Balance gefunden
"Mit 15 Jahren habe ich dann mein Zuhause verlassen", erzählt sie: "Es war ein bisschen schwierig für mich, mich um alles alleine zu kümmern. Aber ich bin sehr dankbar für alles, was ich durch den Sport gelernt habe." Alexandre gefiel die Herausforderung und schnell merkte sie, wie sie am besten an ihren Schwachpunkten arbeiten konnte. Denn die Koordination und Balance im Tischtennis ist mit einem Arm nicht leicht.
Also übte Alexandre das beim Skateboardfahren und Futsalspielen. "Das hat mein Körpergefühl sehr verbessert und meinem Körper viel Stabilität gegeben. Heute habe ich keine Probleme mehr mit der Balance", betont sie, "ich kann jeden Ball erreichen. Ich falle vielleicht hin - aber ich kann ihn erreichen."
Aufschlag mit einem Arm? Kein Problem
Aber wie ist es mit dem Aufschlag? "Ich kann wie Spieler mit zwei Armen aufschlagen", sagt sie, "die Behinderung spielt keine Rolle, ich kann alles machen." Ganz richtig ist das nicht. Denn Tischtennisspieler werfen den Ball von der freien Handfläche hoch, bevor sie ihn mit dem Schläger in der anderen Hand treffen. Das ist für Alexandre nicht möglich, daher balanciert sie den Ball auf ihrem Schläger, bevor sie ihn von dort in die Luft katapultiert und dann schlägt.
Im Nicht-Parasport wäre das eigentlich ein Regelverstoß, aber Alexandre darf auch bei Olympia so aufschlagen. Gemeinsam mit den Schwestern Bruna und Giulia Takahashi trifft sie im Achtelfinale am Montagabend auf Südkorea, eine schwere Herausforderung. Doch die haben die Brasilianerin schon immer gereizt.
Alexandre wirbt für Normalität
Bisher war die Polin Natalia Partyka die Einzige, die eine Brücke zwischen beiden Tischtennis-Welten schlagen konnte. Schon an vier olympischen und sechs paralympischen Spielen nahm die 35-Jährige bisher teil. Für Alexandre ist sie eine große Inspiration und das beste Beispiel, dass Inklusion im Profisport möglich ist."