this post was submitted on 11 Mar 2025
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DACH - Deutschsprachige Community für Deutschland, Österreich, Schweiz

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founded 8 months ago
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Ich finde gut, dass jetzt nach und nach die Coronajahre aufgearbeitet wurden. Leider nicht durch die Politik, sondern durch verschiedene andere Akteure. Es gibt da sicher einiges zu lernen für mögliche spätere Krisensituationen.

In dem Artikel fand ich sehr interessant, wie die Frau sich durch die Gesellschaft und Politik unter Druck gesetzt fühlte sich zu impfen. Und es schließlich machte, obwohl sie ein schlechtes Gefühl dabei hatte aufgrund der schlechten Informationslage.

Wir hatten damals eine ähnliche Situation mit unseren Kindern. Wir haben sie nicht geimpft, obwohl alle ständig auf uns eingeredet haben. Selbst die StiKo hatte ja keine Impfempfehlung gegeben. Wir haben es keinem erzählt, selbst in der Familie, da es für Zwischentöne keinen Raum gab. Wurde man dann schnell als Schwurbler abgestempelt.

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[–] philpo@feddit.org 19 points 2 days ago* (last edited 2 days ago) (1 children)

Die STIKO hat damals aus einem einzigen Grund keine Impfempfehlung gegeben: Man hatte keinen Bock auf den Backslash hatte, man systemische Effekte komplett außer Acht ließ, COVID nicht als Multisystemerkrankung begriff, die Hinweise auf Langzeitfolgen auch bei Kindern ignorierte und schlussendlich auch unter politischem und juristischen Druck stand.(Mit letzterem ist gemeint: Es gibt andere Impfungen die in DE damals nicht STIKO Empfehlung waren,es aber, wenn man die vergleichsbaren Risk-Benefit Level ansetzt, hätten sein müssen.

Mit anderen Worten: Aus Sicht der Fachwelt (wenn man mal von so Vollnulpen wie Streeck absieht)ist das ziemlich unverständlich gewesen was damals ablief - die Evidenz war da und andere Länder haben ja auch reagiert.

Ich beschäftige mich hauptberuflich mit genau der Planung für solche Krisensituationen und ganz ehrlich? Was wir aus fachlich-wissenschaftlicher Sicht gelernt haben ist wenig neues - wir wussten vorher, wie solche Pandemie ablaufen könnten, es gab nur drei große "Unbekannte":

  • Wie schlimm SARS-CoV2 als Virus wirkt und im Verlauf mutiert war komplett offen. Klar gesagt: Wir haben mit Schlimmerem gerechnet. SARS-CoV1 (das Original SARS) und das verwandte MERS waren absolut krasser Scheiss mit Lethalitätsraten im Bereich 10-35% bei gesunden Menschen (solange die Gesundheitsversorgung das noch trägt. Wenn nicht bist du schnell bei 65-85%). Wir hatten ein Schweineglück&wer sich heute hin stellt und sagt "oh,war doch gar nicht so schlimm" kann sich getrost mal gepflegt ficken. (*)

  • Wir haben nicht damit gerechnet wie schnell wir einen hochwirksamen Impfstoff zur Verfügung hätten. Das ist richtig krass und ist tatsächlich eine der größten zivilisatorischen Leistungen der Menschheit, denn wer sich die normalen Impfstoff-Entwicklungszyklen im Bereich der Virologie anschaut, der ist eher im Bereich von Jahrzehnten unterwegs. Es gab in Sachen SARS (u.a. von Drosten) viel Vorarbeit zum Testen und der Sequenzierung,aber die "best case" Vermutung war eher im Bereich 5 Jahre. Das hätte aber das Gesundheitssystem in eine noch ausgeprägtere "chronic fatigue" gebracht,dass es zum Zusammenbruch gekommen wäre. (**)

  • Wir haben ganz massiv die Dummheit der Menschen und insbesondere der Politik unterschätzt. Um es mit den Worten eines hochrangigen Beamten aus einer dafür zuständigen Bundeseinrichtung zu sagen: "Die haben uns Jahrzehnte dafür bezahlt uns auf sowas vorzubereiten um dann im Ernstfall den erstbesten Idioten die ihre Fresse in die Bild halten zu glauben." Wir haben vorher ein schlagfertiges Infektschutzgesetz gehabt(hat man kastriert), wir haben durchaus Pläne gehabt, Modelle,etc. Man wollte es nur nicht hören,weil es weh tat. Und als wir dann Glück hatten, war es wieder da,dass "war ja nicht so schlimm" - un die Politik hat groß abgesahnt,siehe die bayerischen Maskendeals, der Spahn Skandal,etc. Und gleichzeitig hat man sich gelobt weil man sei ja nicht wie Italien gewesen. (Das es in DE nicht so war,hat ganz andere Gründe und war auch mehr Glück)

(*: Und wer meint es war nicht so schlimm: Wir haben eine krasse Übersterblichkeit produziert während parallel eigentlich durch den Lockdown und die dadurch entstehenden wegfallenden Faktoren eigentlich eine Untersterblichkeit zu erwarten wäre - und diese in den entsprechenden Gruppen auch vorhanden war. Wer starb waren die Alten,die Kranken, die Behinderten - und diejenigen die sich um diese kümmerten. **: Den was im Gesundheitswesen angerichtet wurde,wird uns noch 20 Jahre treffen,da hier der sowieso schon desaströse Personalstand massiv überlastet und ausgedünnt wurde, einerseits durch direkte Krankheitsfälle mit tlw. bis heute andauernden Schäden, aber auch durch Todesfälle, v.a. aber durch einen Weggang von Personal das unglaublich viel Knowhow mitgenommen hat. Ersteres ist schon richtig scheisse, ich hab sprichwörtlich jede Menge Kollegen verloren, Reto, Andreas, Mario, keiner war über 52... Aber parallel gingen gingen ganze Jahrgänge raus aus den Gesundheitsberufen. )

Daher: Sorry, aber wer sich damals nicht geimpft hat war primär nicht schlecht informiert (die Infos waren absolut verfügbar,ich gehöre zu den ersten in Deutschland geimpften Menschen&hatte diese,auch auf Laienniveau, vollständig zur Verfügung) sondern hat Scharlatanen, beruflichen Angstmachern und bewusster Desinformation geglaubt. Es gab nie nie nie eine "zweifelhafte" Informationslage. (Und übrigens bin ich nach einem "unerwünschten Reaktion"" bei der zweiten Impfung sogar offiziell anerkanntes Impfschadensopfer und kann daher auch nur gutes über die Nachbearbeitung durch das Paul-Ehrlich-Institut berichten)

Unklar war aus fachlicher Sicht damals nur,in welchem Umfang wir damit Herdenschutz erreichen oder nicht & welche Reduktion der Kontagiosität wir erreichen. Weil das Dinge sind,die man erst in der Herdenpopulation sieht.

Ich versuche es den Leuten immer so zu erklären: Wenn du ein gebrochenes Bein hast und der Knochen steht raus geht/fährt man zum Unfallchirurg. Wenn dein Urologe sagt, dass Bein sei gar nicht gebrochen, der Heilpraktiker sagt das kann man durch Handauflegen heilen,im Internet steht gebrochene Beine gäbe es gar nicht und diese Metallnägel die man dafür verwende seien Mobilfunkantennen und dein Chef sagt du sollst wieder arbeiten gehen weil das kostet ihn so viel, auf den hörst du? Genau. Den Unfallchirurg und den Radiologen. Weil diese die echten Fachmänner/Frauen dafür sind. Wir haben für Pandemien und ähnlichen Kram Fachleute. Public Health ist nicht zu unrecht ein eigenes wissenschaftliches Studienfeld,genauso wie Virologie, Epidemiologie, etc.

Auch wenn es arrogant klingt, nehme ich mich da jetzt mal mit rein: Auf einmal waren wir aber in einer Situation in der uns Programmierer, Physikerlehrer, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen unseren Job erklären mussten. Weil "sie hätten ja gelesen". Unterstützt von halbschattigen Hausärzten, Pflegekräften (und sorry, deren Ausbildung ist im internationalen Vergleich in DE lachhaft) die dann schnell als "Eminenz" für die eigene Meinungsbestätigung wirkten, u.a. auch für Journalisten die auf jede "Gegenteilige Studie" als Meldung aufgesprungen waren ohne grundlegende Dinge wie Designs, Impacts,etc. zu verstehen. False Balancing at its finest. Ich bin damals parallel zu meiner Hauptarbeit jede Menge Intensivtransporte gefahren, oft auch junge Patienten, kritisch krank. So viele krasse Beatmungslagen habe ich in 20 Jahren vorher nicht erlebt. Hochgradig schwierige Transporte, logistisch (viel längere Strecken als normal, tlw. 300-400km bodengebunden - das bei extrem hohen Gasverbrauchen, d.h. tlw. mit Begleitfahrzeug, dass Sauerstoff mitführte), unter Vollschutz (ist die Hölle& eigentlich wären die Atemschutzzeiten BG rechtlich gar nicht zulässig), medizinisch an der Grenze, oft mit wenig geübten Kollegen weil so mancher Kollege ging, gleichzeitig der Bedarf explodierte und emotional ehrlich gesagt auch "taxing". Denn viele haben es trotz ECMO und allem nicht geschafft.

Und dann kommst du heim und Harald, Physiklehrer, erklär dir was du alles falsch machst weil er Streeck, Baghdi und Bild liest.

Source: Ich bin Geschäftsführer einer Beratungsfirma - einer der wenigen in ganz Europa- für genau sowas.

[–] DrunkenPirate@feddit.org 1 points 2 days ago (1 children)

Interessant Einsichten. Siehst du denn, ob da aus den gemachten Erfahrungen irgendwas anders gemacht oder vorbereitet wird, für eine mögliche weitere Pandemie. Also so eine Art Lessons Learned? Oder läuft die Aufarbeitung auf dem Niveau wie bei der Tagesschau - mal hier ein wenig, mal da und es muss auch ne lesbare Story rauskommen.

[–] philpo@feddit.org 6 points 2 days ago (1 children)

Wissenschaft funktioniert nicht so,dass man sich "zusammensetzt" und "Lesson learned" ableitet. Sondern es ist ein stetiger Prozess bei dem aus stetig neuen Erkenntnissen/Studien eine Evidenzlage gebildet wird. Das geschieht unabhängig von der Pandemie an sich, man lässt auch Erkenntnisse aus anderen "Emerging diseases" einfließen und entwickelt sich auf diesem Weg fort - nichts anderes ist auch während der Pandemie stetig passiert.

Dumm nur,dass man uns genau das angekreidet hat.

Du merkst meine Frustration. Die ist in der gesamten Branche vorhanden. Die direkte Lesson learned ist daher eher,dass viele das Thema nicht mehr anfassen werden. Keiner hat Bock sich Karriere und Leben zu versauen. Lothar Wiehler? Abgesägt. Drosten? Angegriffen worden, hat ne Zeit lang Polizeischutz benötigt. Ist nun raus Ich selber,als viel kleineres Licht: Hab mehrfach konkrete Drohungen erlebt. Habe Landkreise die nach einem politischen Wechsel(hin zu schwarz oder blau)einfach Rechnungen in fünfstelliger Höhe nicht bezahlen in Sachen COVID.

Schau dir an was mit Fauci in den USA passiert ist. Und was mit dem CDC und NIH aktuell passiert. Und bedenke,dass der derzeitige designierte Kanzler auch mal das RKI auflösen wollte.

Am Ende ist mittlerweile so viel Frust in der Branche,dass viele "Yo, let the Leopards eat their faces!" laut denken.

[–] DrunkenPirate@feddit.org 1 points 1 day ago (1 children)

Ich meinte auch keine Lessons Learned in medizinisch-fachlicher Sicht, sondern was würde man besser, anders, wiedermachen in Sachen Strukturen, Kommunikation, Entscheidungsebenen, Vorsorge, Plänen, Polizeiarbeit, Medienarbeit, … um mal ein paar Punkte zu nennen.

Oder wie du schreibst, was man nicht mehr machen würde.

[–] philpo@feddit.org 4 points 1 day ago* (last edited 1 day ago) (1 children)

Das sind alles Teile der fachlichen Sicht-Die fachliche Sicht ist hierbei nicht auf die reine Medizin begrenzt(meine Beispiele sind nur auf bekanntere Namen bezogen),es spielen dabei aber eben alle möglichen Ebenen und Fachrichtungen mit (insgesamt mind. 40-42). Medizin ist dabei nur der kleinste Punkt - denn es ist uns relativ egal,ob wir für Viruspandemien, kriegerische Konflikte, Sonnenstürme oder das Widererwachen von Cthulhu planen.

Die Strukturen und gesetzlichen Rahmenbedingungen haben wir vorher gehabt,sie wurden vollständig zerlegt. Wir stehen schlechter da als vorher. Das einzige was geblieben ist als neue Struktur ist die "Kleeblattstruktur" für die Verlegung von Patienten bei solchen Ereignissen. Halten viele Fachautoren aber für großen Mist,ich kann mich dazu nicht öffentlich äußern.

Zur Kommunikation gibt es Leitfäden und wissenschaftlich belegte Konzepte - Krisenkommunikation ist ein Feld der Kommunikationswissenschaften,dass u.a. intensiv von der WHO beackert wird, da es in Entwicklungsländern ein lange andauerndes Problem ist. Einsatzkommunikation gibt es in Deutschland einheitliche Vorgaben die egal ob Hochwasser, Pandemie oder Stromausfall gelten...seit ungefähr 1909. Dumm nur,dass sich in Deutschland jeder Bundespolitiker,Ministerpräsident, jeder Landrat und jeder Bürgermeister zum Fachmanns für alles erklären musste und man weder auf Bundes-, Landes- noch Kommunalebene auf diese Leitfäden gehört hat.

Entscheidungsebenen: Hier hat man die Lage verschlechtert - hatten wir vorher durch das alte Infektionsschutzgesetz ein durchaus scharfes Schwert hat man dieses vollkommen unnötig (und wie vom BVerfG ja auch bemängelt initial undemokratisch) mit spezifischen Regeln versehen deren Greifen in der nächsten Pandemie vollkommen unklar sein wird und die notwendige Entscheidungen verzögern. Noch dazu hat man,da sich "die Politik ja nicht von Automatismen überholen lassen kann" (aka: Man nicht wollte,dass im Zweifelsfall lokale Ebenen ihre Pfründe&Macht verlieren) geplante Änderungen die vor der Pandemie angedacht waren einfach wieder vergessen. Schlussendlich muss man auch sagen,dass wir auch an einer Ebene angekommen sind,an der wir politische Entscheidungsträger gehabt haben,die grob rechtsmissbräuchlich gearbeitet haben. Wenn einzelne Landesregierungen verkünden,dass sie internationale Empfehlungen nicht umsetzen, wenn Landräte verkünden sie würden Gesetze in ihrem Landkreis nicht kontrollieren lassen,was sollen wir als Fachleute noch machen? V.a. wenn die Rechtsaufsichten und Medien sich einen Scheiss darum scheren?

Pläne: Ich behaupte mal,dass es nicht mehr Pandemiepläne gibt als vor Covid - und es zwar einige Bereiche geben mag,die aufgeschreckt wurden, aber gleichzeitig mehr Bereiche meinen sie könnten auch beim nächsten Mal auf Sicht fahren. Doof halt,wenn das nächste Mal nicht so gnädig wird.

Polizeiarbeit: Kann ich mich nicht zu äußern.

Medienarbeit: S.o.

Am Ende des Tages stehen wir um Welten schlechter dar als vor der Pandemie - im Hinblick auf die nächste Pandemie. Da gleichzeitig das Risiko für selbige massiv gestiegen ist durch die sich ändernde Weltlage,Gnade uns Gott/Cthulhu/das fliegende Spaghettimonster/whoever beim nächsten Mal.

[–] DrunkenPirate@feddit.org 0 points 1 day ago (1 children)

Das hört sich nicht gut an. Dann wäre eine Aufarbeitung um so wichtiger.

[–] philpo@feddit.org 2 points 1 day ago