borisentiu

joined 2 months ago
MODERATOR OF
 

Manche kennen vielleicht noch Plattform-Spiele oder Jump'n'runs wie Donkey Kong, in denen Hindernisse übersprungen und Dinge eingesammelt werden müssen. Mit Play your Place haben ab 2013 Mary Flanagan, Ruth Catlow und andere dieses einfache Spielprinzip aus dem rein Digitalen geholt und auf Veranstaltungen in England zum experimentellen Nachdenken über das eigene Umfeld angeregt.

Die Beteiligten sollten z. B. überlegen, welchen Wandel sie sich für Southend wünschen. Für die Umsetzung galt es dann auf einem Papier vier Elemente mit Worten oder Skizzen zu gestalten:

  • Avatar (Spielfigur)
  • Setting
  • Obstacles (Hindernisse)
  • Rewards/Assets (Belohnungen/Pluspunkte)

Hier eine Erklärung und ein Beispiel zum Thema gesündere Ernährung.

Bei den überlieferten Levels steht öfter das zu vermeidende Negative im Vordergrund, wie Datenkraken in Decentralize the things und Data Body Building, oder man wird unter dem sarkastischen Motto Die Community spirit! Die! selbst zur treibenden Kraft des Zerstörerischen. Mit The End gibt es dann noch einen radikalen Metakommentar zu Handlungsmöglichkeiten.

Eine positivere Variante verknüpft das Radfahren damit Eindrücke von der städtischen Tierwelt einzusammeln.

Ziel der Aktionen war es auch einfach Menschen ins Gespräch zu bringen und Stadt als veränderbar zu zeigen. Da der letztendliche Spielspaß hier ohnehin nicht im Mittelpunkt steht, könnte man sich heute von der Idee auch zu Trockenübungen inspirieren lassen:

Welchen Teil meines Umfelds würde ich als Setting auswählen? Was für Hindernisse und Belohnungen? Eine menschliche Spielfigur oder vielleicht eine Sache?

[–] borisentiu@feddit.org 3 points 1 week ago

Vor Monaten wurde ein Ministeriumsvertreter gefragt, warum sich das so zieht, wenn doch in Koalitionsvertrag etc. Er vermittelte den Eindruck, dass es eher noch sorgfältige Bearbeitung von Details ist. Das hier klingt schon nach ziemlich großen Unterschieden zu den Vorschlägen der Initiative.

[–] borisentiu@feddit.org 7 points 1 week ago

Wen es interessiert: ich seh grade, das aktuelle Buch Nach dem Privateigentum? Güter, Infrastrukturen und Weltverhältnisse im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts von van Dyk u.a. ist open access.

[–] borisentiu@feddit.org 2 points 1 week ago (1 children)

Ein sehr spannender Blog, vielen Dank dafür! Hat gleich gut gepasst zu ein paar Solarpunk-Posts in Gutes Morgen, die bis dahin nur englischsprachige Referenzen zu bieten hatten.

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 1 week ago

Ist doch kein Problem, danke fürs Teilen!

[–] borisentiu@feddit.org 2 points 1 week ago

*Daumen hoch* Mit Hoffnung und konkreten Möglichkeiten erhalten wir uns Energie und Chancen. An solchen Sachen wie Gesellschaftsräten lohnt es dranzubleiben, dann wird es auch schwerer sie zu ignorieren und weiter vor sich hin zu wursteln. Außerdem wäre es gut für die Diskussionskultur (was wiederum für manche nicht gut wäre...)

[–] borisentiu@feddit.org 2 points 1 week ago

Vielen Dank fürs Antworten! Ich glaube auch, dass physische Begegnungsorte wichtig sind. Manchmal lässt sich das ja auch mit Digitalem kombinieren wie in dieser älteren Aktion Play your place. Übrigens wäre deine Perspektive bei diesem Forum hier sehr willkommen! https://feddit.org/c/gutesmorgen

 

Raum für Ideen, Termine, Fundstücke etc.

[–] borisentiu@feddit.org 3 points 2 weeks ago* (last edited 2 weeks ago) (2 children)
  1. Eine Art Smartphone- oder Online-Sucht ist keine Altersfrage, aber hörst du von Gleichaltrigen auch mal, dass ihnen die Nutzung nicht nur gut tut?
  2. Ich würde mir ja wünschen, dass sich die Menschen mehr austauschen darüber wohin die Reise gehen soll oder könnte, z. B. bei der Gestaltung ihrer Stadt. Hast du Ideen, in welchem Format ihr untereinander oder mit den Älteren über so etwas gern sprechen würdet? Gibt es Dinge, die dir für die Zukunft besonders wichtig sind? Danke für dein AMA!
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submitted 2 weeks ago* (last edited 2 weeks ago) by borisentiu@feddit.org to c/gutesmorgen@feddit.org
 

Nach dem Überblick zur Kreislaufwirtschaft (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 ) noch Beispiele aus dem Spektrum.

Durch Teilen (z.B. über Bibliotheken der Dinge) können Produktionsbedarfe sinken, bei einer anderen Dimension von Kreislaufwirtschaft geht es um das vorausschauende Design von Produkten oder die Wiederverwendung von Elementen.

Hier ein paar Beispiele aus dem Bausektor, der aktuell noch "zu 36 Prozent der Treibhausemissionen, 50 Prozent der Rohstoffentnahmen und 35 Prozent des Müllaufkommens in Deutschland" beiträgt. Entlang des Lebenszyklus eines Gebäudes gibt es dabei viele Möglichkeiten zur Einsparung wie auch zur wirtschaftlichen Betätigung. (Zahlen - die je nach Quelle bzw. Berechnung variieren - und Geschäftsmodelle für zirkuläres Bauen und Sanieren s. hier )

Zu den Grundbausteinen gehören u. a. wiederverwendete Materialien, wiederverwendbare Materialien, lösbare Verbindungen zwischen ihnen und eine Dokumentation darüber, was verbaut ist (Stichwort Ressourcenpass).

Für das CRCLR House wurde ein altes Brauereigebäude in Berlin in diesem Geist saniert und aufgestockt: Zwei Videos zum Projekt und ein Einblick in die heutige Nutzung als Coworking-Space inklusive Werkstatt und Platz für Veranstaltungen.

Der Neubau der Stadtverwaltung Venlo in den Niederlanden folgte dem cradle2cradle-Ansatz (s. Teil 2). An diesem Ort mit hoher Symbolwirkung wurde nicht oberflächlich, sondern ganzheitlich mit Fassadenbegrünung, Sonnenkamin etc. gestaltet.

Für das eigene Zentrum hat die C2C NGO einen Teil eines Plattenbaus aus DDR-Zeiten saniert. (Überblick + ein Interview ).


Jenseits der Wegwerfkultur: Gespräch im Deutschlandfunk mit dem Bioökonomen Jan Grossarth u. a. zum Baustoff Stroh.

LAB Talk #19: Podcast der C2C NGO mit der Bauingenieurin Lamia Messari-Becker u. a. mit dem Aufruf ganzheitlicher zu denken und nicht z.B. bei Dämmung Kreisläufe zu vernachlässigen.

#kreislaufwirtschaft #gebäude

[–] borisentiu@feddit.org 2 points 2 weeks ago

Es ist sehr gut, wenn schon bestehende Organisationen sich in der Richtung engagieren.

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Bibliotheken der Dinge (www.youtube.com)
submitted 2 weeks ago* (last edited 2 weeks ago) by borisentiu@feddit.org to c/gutesmorgen@feddit.org
 

Nach dem Überblick zur Kreislaufwirtschaft (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 ) noch Beispiele aus dem Spektrum.

Nutzungsverhalten hat eine individuelle Seite, aber auch eine strukturelle. Wir sind umgeben von Konsumoptionen, die den Besitz von Objekten nahe legen, nicht das ressourcensparende Teilen. Mit 'Bibliotheken der Dinge' wird versucht Orte zu schaffen, die ein jahrtausendealtes Prinzip ausweiten und 'Nutzen statt Besitzen' niederschwellig gestalten. Anstelle von Büchern geht es dabei um Werkzeug, Maschinen, Freizeitausrüstung und vieles mehr.

Najine Ameli hat zu den Möglichkeiten und Herausforderungen dieser Initiativen geforscht - und dann in Bochum selbst den Sprung in die Praxis gewagt. Eine Erkenntnis aus ihrer Dissertation Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge war, dass diese Angebote sich trotz ihrer besonderen Vorteile auch mit Standards in Flexibilität etc. auseinandersetzen müssen, die der kommerzielle Markt gesetzt hat.

Großes Potential stecke dafür auch darin, außer der Ausleihe auch den Umgang mit Werkzeugen oder Instrumenten in unterschiedlichen Formaten anzustoßen (Repair-Cafés, Workshops etc.) Das fördert sowohl den Austausch als auch die individuelle Eigenständigkeit. So zitiert sie etwa Piper, die in einer tool library in Baltimore Menschen ermutigt einschüchternde Gerätschaften auszuprobieren:

"And it's almost as if they stand a little more straight afterwards. They smile a little bit bigger afterwards. They seem different leaving. [...] we have countless individual stories about that." 131


In einer Folge des Podcasts Wir im Wandel der Bundeszentrale für Politische Bildung wird Amelis Bib der Dinge besucht, daneben geht es um andere Beispiele für (Energie)Suffizienz - vor allem eine Initiative gegen Lebensmittelverschwendung.

Webseite der Bochumer Bib der DInge (die gerade umzieht):
https://bib-der-dinge-bochum.myturn.com/library/

Najine Ameli: Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge : gemeinschaftliche Nutzungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung, Bielefeld 2020 (in Bibliotheken der Bücher)


#kreislaufwirtschaft #suffizienz #konsum #ernährung

 

Zum Abschluss dieses Überblicks soll es noch einmal um die Frage gehen, wer bei einer Kreislaufwirtschaft treibende Kraft sein könnte und wie sehr der Schwerpunkt auf (Hoch-)Technologien liegt. Der Aufsatz Circular futures: What will they look like? von Thomas Bauwens, Marko Hekkert und Julian Kirchherr konstruiert anhand dieser zwei Achsen vier Szenarien.

Zentralisiert und low tech: Planned circularity

Schwerpunkt liegt auf (über)staatlichen Regelungen, entsprechend rückt die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz in den Vordergrund, aber auch effektive Möglichkeiten z . B. Rebound-Effekte zu verhindern (also dass Einsparungen zu Mehrverbrauch auf andere Weise verleiten). Low tech oder low tech innovations meint hier auch das vorrangige Ausreizen der höherwertigen R-Strategien.

Zentralisiert und high tech: Circular modernism

Der Staat gibt hier Richtlinien und finanzielle Anreize, v. a. große Konzerne sollen dann mit innovativen Technologien für Effizienzsteigerungen sorgen. Von KonsumentInnen werden eher keine Verhaltensänderungen erwartet, sie nehmen die Innovationen auf dem Markt an oder nicht. High Tech Lösungen wie Sortiersysteme oder KI-gestützte Automation sollen die unteren Rs und das Reduzieren optimieren, sind aber in der Entwicklung anspruchsvoll.

Dezentral und low tech: Bottom-up sufficiency

Vorangetrieben wird die CE hier v. a. durch kleinere Produktionseinheiten der Nah-und Selbstversorgung, die auch Transportwege minimiert. Lokale Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt, nicht Produktion und Konsum im Weltmarktmaßstab. Landleben und urbane Agrikultur werden kultiviert, freiwillige Verhaltensänderungen im größeren Stil sorgen für signifikante Reduzierung von Verbräuchen.

Dezentral und high tech: Peer-to-peer circularity

Digitalisierung ist hier der Dreh- und Angelpunkt und krempelt Produktions- und Nutzungsmuster um. Statt Massenproduktion und Besitz erlauben Plattformen passgenau Herstellung und Zugriff (Sharing economy, Gig economy).

Die vier Varianten werden dann noch hinsichtlich ihrer ökologischen Effektivität, wirtschaftlichen Effizienz, sozio-politischen Machbarkeit und Kompatiblität mit demokratischen Werten in dieser Grafik verzeichnet. Die befragte Fokusgruppe sieht global den zirkulären Modernismus als wahrscheinlichste Variante, da dessen Technik- und Wachstumsorientierung sich in der CE-Konzeption von Regierungsstellen, Konzernen und Organisationen wie der Ellen MacArthur Foundation wiederspiegele.

Da ohnehin auch von Mischtypen auszugehen ist, wird z. B. auch eine konstruktive Kombination von zentralisierten und dezentralen Elementen als wünschenswert bezeichnet: So könnte die Politik klare Ziele und Leitplanken definieren, aber im Geiste der polyzentrischen Governance auch Betrieben und zivilgesellschaftlichen Initiativen Gestaltung auf lokaler Ebene ermöglichen. (S. 11)


https://www.youtube.com/watch?v=fax5RcM0uIc (Video, in dem einer der Autoren die Ergebnisse vorstellt und diskutiert. Ebenfalls auf Englisch.)

[zuerst im alten Forum, 31.3.24]


#wirtschaft #konsum #politik

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 3 weeks ago* (last edited 3 weeks ago)

Wie er auch schreibt, gibt es eher nicht harte Grenzziehungen und doch ist es interessant mit einem Begriff wie Hopepunk etwas Anderes zu verbinden als mit Solarpunk. Die Befürchtungen bezüglich zu viel Überbau, Checkliste und Propaganda sind insoweit nachvollziehbar, als viele Autor*innen vermutlich am Solarpunk gerade eine mögliche Wechselbeziehung zwischen Phantasie und Realität reizt. Allerdings habe ich bisher auch nicht den Eindruck, dass sich Lager hinter jeweils anderen Solarpunk-'Bibeln' scharen und deren 'Programm' aufs Komma umsetzen wollen. Die Schreibenden wirken recht experimentierfreudig und die Lesenden entdecken hier und da Elemente, die sie inspirierend finden. Dafür sind auch die vielen Literaturhinweise im Text hilfreich.

 

Bei den Alternativen zum ‘Weiter so’ fallen zwei gegensätzliche Leitgedanken ins Auge, die jedoch auf ihre Art beide das Notwendige mit dem Angenehmen verbinden wollen.

Vor allem ökologisch ausgerichtete NGOs setzen Suffizienz auf die Agenda, damit angesichts begrenzter Ressourcen und Emissionsbudgets grundlegend darüber nachgedacht wird, was denn überhaupt nötig ist für ein gutes Leben aller.

Hinter dem Konzept ‘cradle to cradle’ dagegen steht die Auffassung, dass dabei nicht genügend Menschen mitziehen würden und dies auch gar nicht nötig sei, wenn alle Produkte und Prozesse grundsätzlich anders designt würden. Das Ziel ist die umfassende Imitation des natürlichen ‘Es gibt keinen Abfall’-Prinzips auch im künstlichen Bereich, wo alles letztlich zu ‘technischen Nährstoffen’ zur weiteren Verwendung und damit unproblematisch wird.

Da man dieses Ziel als äußerst ambitioniert bezeichnen darf, sehe ich die starke Abgrenzung von der Suffizienz auf dem Weg dahin kritisch, wie sie z. B. im Buch “Intelligente Verschwendung. The Upcycle: Auf dem Weg in eine neue Überflussgesellschaft” (2013) der beiden Gründer Braungart und McDonough betrieben wird. Während gegen Einschränkung argumentiert wird, sind selbst im anvisierten Zielzustand verschwenderische Lebensstile nur möglich, wenn auch Energie für die Kreisläufe im Überfluss vorhanden ist. Bis dahin dürften das Anerkennen von Grenzen, verbrauchsseitige Verhaltensänderungen und die entsprechenden R-Strategien nicht so überflüssig sein wie dieses Plädoyer für Kreislaufwirtschaft es darstellt.

Es weist so eine argumentative Nähe auf zu einem Framing von ‘Verzicht’ als unnötigem und kontraproduktivem Stimmungskiller. Die praktische Seite des Konzepts - detaillierte Bestandsaufnahmen und kreislauforientiertes Umdesignen (welches der privatwirtschaftliche Arm zertifiziert s. https://c2ccertified.org/ Für die deutsche NGO s. https://c2c.ngo/ ) - und das Motivieren zu verträglicher Kreativität könnten dabei gut mit dem anderen Ansatz kombiniert werden.

In dieser anderen Perspektive wird aus den planetaren Grenzen die Notwendigkeit abgeleitet, u. a. Ressourcenverbräuche absolut zu reduzieren, ob die Produktionsweisen dies gerade begünstigen oder nicht. Analog zur Klimaneutralität soll deshalb das Endziel auf Etappenziele heruntergebrochen werden, die den Fortschritt überprüfbar machen. Der BUND z. B. fordert deshalb die Vorbereitung eines Ressourcenschutzgesetzes im Rahmen der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/klimawandel/handlungsbedarf-nationale-kreislaufstrategie-nkws-forderung-ressourcenwende-bund-2023.pdf).

Da die psychischen und sozialen Belastungsgrenzen aber auch nicht überschritten werden sollen, soll meist das ‘Weniger’ der Suffizienz-Idee zugleich auch ein ‘Genug’ sein, das kein äußerstes Minimum ist. Dabei ist das ‘Genug’ jenseits des blanken Überlebens eine höchst subjektive Sache. Suffizienzansätze versuchen daher häufig die Idee eines Korridors zu etablieren, der innerhalb der Grenzen noch Spielraum für individuelle Präferenzen lässt und demokratisch ausgehandelt werden kann. Wie Braungart und McDonough mit dem Bild der ‘verschwenderisch’ produzierten Kirschblüten, knüpft die Wortwahl auch hier öfter an natürliche Pracht an, wenn z. B. der Korridor das flourishing (Gedeihen) menschlicher Existenz ermögliche. [1]

Eine altbekannte Metapher für unterschiedliche Perspektiven auf dieselbe Sachlage ist das halb volle oder halb leere Glas. Braungart und McDonough formulieren an einer Stelle eine dritte, analytischere Beschreibung: “Das Glas ist voll von Wasser und Luft.” (s. o., S. 198). Die Aufforderung, viel genauer als bisher hinzusehen, mit was wir uns permanent umgeben (wollen), kann man beiden Ansätzen entnehmen.


[1] Bärnthaler/Gough: Provisioning for sufficiency: envisaging production corridors (2023), Fig. 1 https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/ressourcenschonung-in-produktion-konsum/fragen-antworten-zu-cradle-to-cradle

[zuerst im alten Forum, 30.3.24]


#wirtschaft #konsum #suffizienz

[–] borisentiu@feddit.org 2 points 3 weeks ago

Danke, sind jetzt in der Liste! Es würde mich freuen, wenn du bei Gelegenheit etwas dazu (oder zu etwas anderem natürlich) posten würdest.

 

Nach dem Versuch eines Überblicks (https://feddit.org/post/2284938) ist auch der angekündigte Teil mit ergänzenden Aspekten etwas angewachsen, weshalb ich die drei Abschnitte einzeln poste.
Den anreißenden Charakter habe ich aber beibehalten und an dieser Stelle nicht nochmal vertiefend nachgearbeitet.

Aus leeren Versprechungen lernen, nicht von ihnen

Wenig überraschend hat man sich im Allgemeinen bei den ‘Rs’ mit dem Recycling auf etwas konzentriert, das unten in der Hierarchie steht und das an die gewohnten Abläufe mehr oder weniger drangehängt werden kann, ohne sonst viel zu ändern. Das Hauptproblem aber ist, dass das System nicht annähernd das leistet, was Herstellerangaben und Mülltrennung suggerieren.

Die Dokumentation “Plastik - Die Recyclinglüge” (2021) z. B. zeichnet nach, was die Branchenweisheit ‘Abfall sucht sich immer das günstigste Loch’ bedeutet. Statt aufwendiges echtes Recycling (5% des Plastikmülls, im Film ab 00:20:45) subventioniertes Downcycling und Verbrennen, dazu legale und illegale Formen des Exports (und parallel natürlich viel neues, ‘virgines’ Plastik auf Ölbasis). Recyling politisch als ‘stoffliche Verwertung’ definiert erreicht so 45%.

Dieses nachgelagerte System krankt also weitgehend im Verborgenen vor sich hin, während die Greenwashing-Offensive im Konsumbereich auch hinsichtlich Recycling auf vollen Touren läuft. Der Unternehmer Reinhard Schneider (Die Ablenkungsfalle. Die versteckten Tricks der Ökologie-Bremser. Wie wir unsere Umwelt nicht länger aufs Spiel setzen, München 2023) kritisiert verschiedenste Praktiken der Irreführung. Verpackungen ‘aus Recyclingmaterial’, das nicht ausdrücklich aus so genanntem Post-Consumer-Abfall stammt, können z. B. auch aus produktionsbedingten Resten gefertigt werden, deren Nutzung schon immer im betriebswirtschaftlichen Interesse lag und erfolgte (Industrierezyklat, s. S.70).

So spielt das Konzept Recycling leider seine Rolle im Scheinklimaschutz, könnte aber auch in einem ganzheitlichen System seinen Part erfüllen. Schneider plädiert zum einen für staatliche Regulierung (z.B. klare Vorgaben und mit Steuerprüfungen vergleichbare Nachhaltigkeitsprüfungen, S. 231), zum anderen für Unternehmenskulturen, die Stück für Stück wieder Vertrauen aufbauen, indem nicht mehr versprochen als getan wird - und stetig mehr getan wird (u. a. Kap. 11).

Das Patentrecht bzw. den Umgang damit sieht er als weiteren Knackpunkt: So würden z. T. nachhaltigere Prozesse oder Produkte patentiert einzig mit dem Ziel die Konkurrenz von Vergleichbarem abzuhalten und selbst wie gewohnt weiterzumachen. Als kooperatives Gegenmodell nennt er das Teilen von Know How (Open Innovation, s. Kap. 5). Für das eigene Kerngeschäft mit Reinigungsmitteln gibt er an, dass nach eigener Erfahrung Mehrweg- und Nachfüllmodelle sich nicht als praktikabel erwiesen hätten, weshalb sie sich auf die Optimierung des Recyclingsprozesses konzentrieren würden.


Hier ein kurzer Vortrag von Schneider anlässlich der Buchveröffentlichung. Die anschließende Diskussion berührt mit Vertreter*Innen von Umwelt- und Industrieverbänden und Politik eine ganze Reihe von anderen interessanten Punkten: 
https://www.youtube.com/watch?v=ngNH7_i7UTw

Kreislaufwirtschaft: Von der Rhetorik zur Praxis (Prof. Vera Susanne Rotter): Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in seinem Umweltbericht 2020 auch konkretere Schritte gefordert. Das entsprechende Kapitel wird in diesem kurzen Video vorgestellt (Textquellen in der Beschreibung).

[zuerst im alten Forum gepostet, 19.3.24]


#wirtschaft #konsum

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 3 weeks ago

Nebenbei gemerkt: Ein * in einem kursivierten Textabschnitt (= * an Anfang und Ende) funktioniert nur, wenn man ein \ davor setzt.

 

In einem Ökosystem der funktionierenden Kreisläufe gerät schon mal in Vergessenheit, ob das Huhn oder das Ei zuerst da war. Fataler ist, wenn in einem menschengemachten System funktionierende Kreisläufe an sich in Vergessenheit geraten. Ist es möglich, die moderne Wirtschaft als Kreislauf neu zu erfinden?

Ich habe keine Prognose zu bieten und wollte eigentlich auch nur für einen Link bezüglich Recycling im Bauwesen etwas Kontext haben. Aus diesem Kaninchenbau komme ich nur mit ein paar Orientierungspunkten, dafür aber gar nicht mal so kompakt…

Als übergeordneten aktuellen Zusammenhang kann man die Konsum-und Wegwerfgesellschaft sehen, und entsprechend bezieht sich die Kreislaufwirtschaft auch nicht nur auf Wirtschaftsunternehmen oder Material, sondern auch auf das Verhalten von uns allen.

Eine Definition

Hinter der Verwendung des Begriffs ‘Kreislaufwirtschaft’ versammeln sich verwirrend unterschiedliche Definitionen, Konzepte und Ziele. Es gibt sie auch nicht nur als umfassendere Version und Zukunftsvision, sondern ebenso als kleinen Teil des status quo, auf Abfallwirtschaft konzentriert. Seit 1996 ist ein Bundesgesetz so benannt und Recycling ist hierzulande ja auch schon ein alter Hut… Im Geiste dieses Forums darf es gerne mehr und systemisch sein!

International spricht man dann von Circular Economy (CE) und um Verwechslungen zu vermeiden, wird häufiger auf eine Übersetzung verzichtet (s. LINK S. 11 ). Oder man verwendet den deutschen Begriff und macht deutlich, dass man eine CE meint. Aktuell wird unter Federführung des Umweltministeriums eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) für die “Transformation hin zu einer zirkulären Wirtschaft” entwickelt (https://dialog-nkws.de/bmuv/de/home/informieren). Sollte am Ende dieses Beteiligungsprozesses ein umfassendes Konzept stehen, ist Papier natürlich geduldig, aber als Öffentlichkeit könnte man solche Momente nutzen, die Politik beim Wort zu nehmen.

Es gibt schlankere Definitionen als die folgende, aber im Rahmen einer Analyse von 221 Definitionen hat man Prinzipien, Ziele und Beteiligte erfasst, um dann zu schauen, wer was betont.

"Die Kreislaufwirtschaft ist ein regeneratives wirtschaftliches System, das einen Paradigmenwechsel voraussetzt, der den endgültig ausscheidenden Verbrauch von Materialien/Produkten [im Original: ‘end of life’ concept] ersetzt durch das Reduzieren, alternativ das Wiederverwenden, Recycling und energetische Verwerten [recovering] von Materialien über die ganze Lieferkette hinweg,

mit dem Ziel Werterhalt und eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, ökologische Qualität, wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gleichheit zu schaffen

– zum Vorteil gegenwärtiger und zukünftiger Generationen.

Dies wird ermöglicht durch eine Allianz von Stakeholdern (Industrie, KonsumentInnen, polit. EntscheidungsträgerInnen, Wissenschaft) und ihre technologischen Innovationen und Fähigkeiten."

(Kirchherr et al: Conceptualizing the Circular Economy (Revisited): An Analysis of 221 Definitions. (2023, LINK Übersetzung und Absätze von mir)

Diese Darstellung als Gleichung mit sehr vielen Variablen scheint mir passend, nur sollten die erwähnten Stakeholder deshalb erst Recht Farbe bekennen, wie sie sich die Ausgestaltung konkret vorstellen.

Natürliche Systeme als Inspiration

  1. In natürlichen Systemen nähren Ausscheidungen und auch die Überreste eines Elements andere Elemente (‘waste = food’)
  2. Diversität macht diese Systeme widerstandsfähiger.
  3. Natürliche Systeme basieren auf erneuerbarer Energie (Sonne).
  4. Sie funktionieren im Zusammenwirken verschiedener Elemente, eben als System. (nach https://www.youtube.com/watch?v=BknvimtSQjk)

Menschengemachte Systeme hatten anfangs auch einen solchen Kreislaufcharakter, inzwischen dominiert lineares Wirtschaften des ‘take make waste’ mit den bekannten Folgen hinsichtlich Ressourcen, Energieverbrauch und Nebenwirkungen. Es wird zwar in Systemen gedacht, aber eben in Teilsystemen und so als wäre ihr Input unendlich und ihr Output folgenlos. Dieser Output wiederum wäre undenkbar ohne die ‘Emanzipation’ von erneuerbarer Energie mit der Industrialisierung.

Mit der Kreislaufwirtschaft kann man nun die Vorstellung verbinden, dass das menschliche Wirtschaften funktionieren könnte ohne das Gesamtsystem ‘(Gut bewohnbarer) Planet’ entgleisen zu lassen. Die Hälfte einer Kreislaufwirtschaft, die sich auf die Biosphäre bezieht, soll diese durch verträgliche Landwirtschaft (Perma- statt Monokultur, Verzicht auf schädliche Dünger etc.) oder die Verwendung von abbaubaren Bio-Materialien schonen bzw. sogar fördern. Etwas näher will ich hier aber auf die andere Hälfte des ‘Schmetterlings’ (LINK) eingehen, die eine neu organisierte Technosphäre darstellen soll.

Die Rs

Um dem menschlichen Alleinstellungsmerkmal ‘Müllproduktion’ Herr zu werden, kann man sich an einer Hierarchie der Umgangsweisen mit Materialien orientieren. Die kreislauffreundlichen Aktionen mit der Vorsilbe re- werden gern zu 3, 4 oder mehr “Rs” gebündelt. Hier sind 10, weil ich die Abgrenzungen zumindest interessant finde, teilweise mit Unterscheidung Nutzungsseite // Produktionsseite.

  1. Refuse (Ablehnen): Gar nicht erst kaufen o. nutzen // Etwas nicht herstellen o. bestimmte Materialien nicht verwenden. Etwas überflüssig machen.
  2. Rethink (Umdenken): v.a. was Kopplung von Nutzen u. Besitzen angeht. Teilen senkt Produktion und erhöht Ausnutzen des Produzierten. Beim Design auf Reparierbarkeit achten etc.
  3. Reduce (Reduzieren): Durch mehr Effizienz weniger Materialverbrauch
  1. Reuse (Wiederverwenden lassen): Produkt nicht teilen, aber weitergeben-/verkaufen. // Dasselbe mit Maschinen z. B.
  2. Repair (Reparieren): Etwas Defektes wird wieder funktionstüchtig gemacht statt weggeworfen.
  3. Refurbish (Restaurieren u. updaten): Etwas wird nicht nur repariert, sondern aufgewertet
  4. Remanufacture (Zusammensetzen): Intakte Produktkomponenten werden woanders eingebaut
  5. Repurpose (Umwidmen): Produkte/Komponenten werden woanders eingesetzt und in anderer Funktion, z. B. als Möbel.
  1. Recycle: Rohstoffe zurückgewinnen und das schon bei der Produktion vorbereiten. Wenn Material danach z. B. nur noch als Füllstoff fungiert, spricht man auch von Downcycling.
  2. Recover (Energetisch verwerten): Nicht im engeren Sinn zirkulär, aber durch Verbrennung wird zumindest noch Nutzenergie erzeugt im Unterschied z. B. zur Vermüllung der Meere…

(ausgehend von https://prosperkolleg.ruhr/wp-content/uploads/2022/05/rethink_22-03_r-strategien.pdf; 5 Rs mit low- und high tech Lösungen s. auch hier unter table 2 

Hier noch eine Anwendung auf den Bereich Automobilität LINK

Manche der Rs könnten hier im Forum als Schlagworte nützlich sein, um Beispiele aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu verknüpfen. In einem zweiten Teil werde ich nur noch ein paar zusätzliche Aspekte anreißen.

[Zuerst im alten Forum gepostet, 8.3.24, Kommentarbereich s. hier]


#wirtschaft #konsum

 

Nach reichlich Inhalten auf Englisch hier die Übersetzung eines kompakten 'Manifesto' und ein toller neuer, deutschsprachiger Blog von @lex (Mastodon-Fundgrube!): Auf solar-punk.org gibt es jeden Dienstag einen neuen Beitrag zu fiktionalen Geschichten und realen Praktiken.

Aus dem Manifest:

Solarpunk kann utopisch, einfach nur optimistisch, oder mit den Kämpfen auf dem Weg zu einer besseren Welt beschäftigt sein. Solarpunk ist aber niemals dystopisch. Da unsere Welt vor Unglück brodelt, brauchen wir Lösungen, nicht nur Warnungen.

Wir brauchen Lösungen, um ohne fossile Brennstoffe zu gedeihen, mit echter Knappheit gerecht umzugehen und an der schon jetzt vorhandenen Fülle teilzuhaben. Statt eine falsche Knappheit oder einen falschen Überfluss zu unterstützen, möchten wir freundlicher zueinander und zu dem Planeten zu sein, den wir uns teilen.

Solarpunk ist gleichzeitig eine Vision der Zukunft, eine durchdachte Provokation, eine Lebensweise und eine Reihe von erreichbaren Vorschlägen, um dorthin zu gelangen.

.

Aus dem Blog, Post 'Die Wiederaneignung der Zukunft':

Cyberpunk-Erzählungen ist die menschenfeindliche, immer stärker überwachte und von Konzernen regierte Welt gemeinsam, in der die Hauptfiguren gegen die Zustände rebellieren, deshalb auch die Nachsilbe »Punk«. Die Rebell*innen können in den meisten Geschichten zwar kleine Teilerfolge erzielen, aber am eigentlichen System nichts ändern. Solche Zukunftsvisionen können dem Status Quo der realen Welt mittlerweile nur noch wenig hinzufügen – die Zukunft bleibt wie die Gegenwart, nur mit mehr Lasern und schnelleren Computern.

Etwa seit den 2010er Jahren gibt es eine Gegenbewegung zu dieser zelebrierten Hoffnungslosigkeit, die auf den Namen Solarpunk hört. Die Schnittmenge mit den Werten der Klimagerechtigkeitsbewegung ist immens, wobei sich Solarpunk weniger auf Appelle an Regierungen fokussiert, sondern darauf, eine bessere Zukunft durch sogenannte Reallabore, Kunst und Literatur wieder vorstellbar zu machen und aufzubauen.

Es ist sehr erfreulich, dass diese Kombination durch den Blog fundiert und ohne Sprachbarriere weiter verbreitet wird.


#zukünste

[–] borisentiu@feddit.org 1 points 1 month ago* (last edited 1 month ago)

Vielen Dank!/Thank you!

 

Nach den zwei Konserven hier noch ein neuer Beitrag mit freiem Lesestoff auf Englisch. Das Center for Science and the Imagination an der Arizona State University widmet sich sehr aktiv der Schnittstelle von Wissenschaften und Zukünsten. In diesem Fall trafen 2018 Forscher*innen aus Technik-, Natur-, aber auch Sozialwissenschaften bei einem Solar Futures Narrative Hackathon auf Kreative, um die Grundlagen für diese Anthologie zu schaffen. Die Frage: Wie könnte eine auf Solarenergie umgestellte Welt funktionieren?

Entstanden sind vier Erzählungen über urbane und ländliche Räume in den USA, jeweils ergänzt durch Beiträge, die die fiktiven Szenarien noch etwas näher ausführen und vor allem Kontext geben. Der Fokus auf die Energieversorgung geht mit der klaren Marschroute einher, Infrastruktur nicht einfach als technische Sache ansehen zu wollen (weshalb man auch von sozio-technischen Systemen spricht). Fragen der Mitbestimmung, Gerechtigkeit, Akzeptanz u. a. gehören notwendig zu einem Gesamtbild dazu.

In dieser Hinsicht verbreiten die Geschichten nicht eitel Sonnenschein, sondern werfen ein Licht auf mögliche positive und problematische Entwicklungen. Bei allem Neid auf die erreichte Überwindung des fossilen Regimes könnte man beim Lesen also auch ein gesteigertes Bedürfnis empfinden, die neue Ordnung umsichtig zu gestalten, solange sie noch im Entstehen ist. Und trotzdem - oder gerade deswegen - gehen von dem Band die elektrisierenden Impulse des Solarpunk aus!


The Weight of Light. A Collection of Solar Futures, edited by Clark A. Miller and Joey Eschrich, Arizona State University 2018. https://csi.asu.edu/books/weight/ (Open Access; Epub, PDF und andere Formate)

Unter https://csi.asu.edu/books/ sind weitere Publikationen im Open Access verfügbar, darunter der global ausgerichtete Climate Action Almanac von 2023.

#zukünste #infrastruktur #energie

 

Hier ein paar Videos ergänzend zum Beitrag Zukünste und Solarpunk. Sie widmen sich den Bezügen zwischen Ästhetik, Stadtplanung etc.

Andrewism: What is Solarpunk? https://youtu.be/hHI61GHNGJM?feature=shared

Andrewism: How To Build a Solarpunk City https://youtu.be/4UmU1dSe3n0?feature=shared

DamiLee: SolarPunk Cities: Our Last Hope? https://youtu.be/UVlBmdvIC6s?feature=shared

Pop Culture Detective: In Defense of Disney’s Strange Solarpunk World https://youtu.be/rqQJHja9qxU?feature=shared


[zuerst im alten Forum, 22.5.24]

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